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Meine afrikanische Freundin

Begegnung auf dem Markt
Ich lernte K. bei meinen regelmässigen Einkäufen auf dem Markt kennen. Da ich die einheimische Sprache lerne, gehe ich gerne zu den Frauen auf den Markt. Immer häufiger schaute ich so auf dem Marktplatz bei K. vorbei. Wir tauschten Grüsse aus und unterhielten uns ein wenig. Sie half mir beim Reden und das gefiel mir. Bei einem meiner Besuche sagte sie mir, sie möchte so gerne lesen lernen. Ob ich ihr helfen könne? Ich überlegte es mir und sagte: «Wenn du zwei bis drei Mal pro Woche zu einer bestimmten Zeit zu mir kommst, dann werde ich es versuchen.»

Freundschaft wächst
K. ist eine viel beschäftigte Frau mit ihrer Arbeit auf dem Markt, dem Kochen und Haushalten für ihre sieben Kinder und zwei Enkel, die ebenfalls bei ihr wohnen. Aber sie kam zu meinem Erstaunen zuverlässig und pünktlich. Über drei Jahre hinweg haben wir uns so regelmässig getroffen. Der Anfang war schwer für sie, aber sie hielt durch. Mit der Zeit ging es immer besser, wir beide hatten Freude an unseren Treffen. So wuchs auch unsere Freundschaft. Nachdem wir uns schon zwei Jahre lang getroffen hatten, fand ich die Zeit gekommen, ihr aus dem Lukasevangelium vorzulesen. Ich war gespannt, wie sie darauf reagieren würde.

Bittere Armut
Gerne wollte ich sehen, wo K. wohnte. Ich erschrak, als ich die einfache Lehmhütte sah. Unzweifelhaft war die Familie sehr arm und lebte buchstäblich von der Hand in den Mund. Als wir im Herbst wieder aus unserem Heimaturlab zurück waren und ich zum ersten Mal auf den Markt ging, fiel sie mir um den Hals und erzählte, dass beim starken Regen der letzten Wochen ihr Lehmhaus zusammengestürzt sei. Nur durch ein Wunder sei niemand aus ihrer Familie zu Schaden gekommen. Aber sie hatte alles verloren unter den Trümmern ihres Hauses. Kurz danach besuchte ich sie, um zu sehen, wo sie notdürftig bei Nachbarn untergekommen war. Mir kamen die Tränen. Die Familie schlief auf dem nackten Fussboden! Ich konnte nicht anders, als ihr wenigstens mit dem nötigsten, wie etwa Matten für den Boden, zu helfen.

Du sollst leben!
Kurze Zeit später wurde K. schwer krank. Ich erhielt eine Nachricht, es gehe ihr gar nicht gut. Sie hatte hohes Fieber! Ich half ihr, dass sie in die nahegelegene Klinik gebracht werden konnte. Sie selbst umklammerte mich ganz fest und schluchzte fortwährend. K. meinte, sie müsse sterben, und ihre Not war, wer dann für die Kinder sorgen würde. Ich sagte zu ihr: «Nein, du sollst leben!» Und ich betete für sie im Namen Jesu. In jener Zeit lasen wir zusammen im Lukasevangelium die Geschichte von der schmalen Tür und dem schmalen Weg, und der breiten Tür und dem breiten Weg.

Die enge Pforte
Dann kam Weihnachten. K. sagte zu mir: «Würdest du mich zum Weihnachtsgottesdienst in der Kirche einladen?» Ich war ziemlich erstaunt, aber ich sagte: «Klar, wenn du das möchtest.» So trafen wir uns zum Weihnachtsgottesdienst. Nach der Predigt, während der Gottesdienst noch weiter ging, verliessen wir den überfüllten Raum und setzten uns auf eine Bank im Schatten. Dort sagte sie zu mir: «Ich möchte jetzt auch durch diese enge Pforte gehen.» Ich stutzte und begriff nicht, was sie meinte? Dann kam mir in den Sinn, was wir zusammen gelesen hatten. Ich sagte zu ihr: «Heisst das, dass du Jesus nachfolgen möchtest?» «Ja», sagte sie. Ich war sehr berührt. Seither treffen wir uns immer noch drei Mal in der Woche. Wir lesen miteinander in der Bibel und beten. Es ist immer noch eine grosse Herausforderung für mich in ihrer Sprache zu beten, aber das ist ihr ganz wichtig.

So sind wir bis heute miteinander unterwegs. Sie muss noch sehr viel lernen, hat auch viele Fragen, was den Glauben betrifft. Aber auch ich muss lernen, was und wie ich ihr all diese Dinge in der fremden Sprache erklären kann. Wie es scheint, hat Gott sie schon über lange Zeit vorbereitet, einmal sein Evangelium zu hören und zu verstehen. Ich bete und hoffe, dass Gott sie weiterhin auf seinem Weg führt und vor allem auch beschützt.

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