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Rückständig – oder doch fortschrittlich?

Durch unser Leben und Arbeiten hier in Guinea (Westafrika) erhalten wir vertieften Einblick in vielerlei Bereiche des Alltags. So auch in das traditionelle Handwerk. Es wird vorwiegend mit Naturmaterialien gearbeitet und die Produkte aus Metall werden mit Altmetall hergestellt. Ein paar Beispiele:

Das Rundhüttendach decken
Faszinierend, wie auch im 21. Jahrhundert das Dach der Rundhütte aus rein pflanzlichen Bauteilen angefertigt wird. Der Bambus dient als Dachbalken und -latte. Letztere geht spiralförmig hoch bis in die Spitze und gibt dem Dach Stabilität. Verschiedene Baumrinden – jede hat ihre Vorzüge und Nachteile – dienen als Schnüre. Zudem ist die runde Form ideal von der Statik her, denn so braucht es keine Verstrebungen. Schneelast, beispielsweise, gibt es hier ja nicht. Nur ein einziges Werkzeug ist für das Decken der Rundhütte vonnöten, nämlich ein Messer. Auch dieses wird lokal hergestellt: mit Stahl aus eingeschmolzenen Radfedern.

Ledersandalen fabrizieren
Ziegenhäute werden für zwei bis drei Wochen in eine Flüssigkeit gelegt, welche aus verschiedenen pflanzlichen Produkten besteht. Mit dieser Haut werden die ästhetischen Ledersandalen von A bis Z angefertigt. Als Sohle dienen alte Fahrzeugpneus.

Aluminium giessen
Der Giesser schmilzt alles ein, was aus Aluminium besteht: alte Motorradzylinder, Cola Büchsen etc. Das flüssige Alu wird in eine Sandgussform gegeben. So entstehen die hier zum Kochen verwendeten Alupfannen. Sie bestehen zu 100% aus recyceltem Aluminium. Auch die Kugellagerhalterung unserer lokal hergestellten Seilpumpen für den Brunnen wird dort hergestellt.

Altmetall verwerten
Altmetall wird auf alle mögliche Weise weiterverwendet. Beispielsweise wird ein altes Lastwagen-Chassis aufgestellt und dient als Aufhängepunkt des Hochzuges, der benötigt wird, um Motoren aus der Haube zu hieven. Oder die Wände eines 200-Liter-Ölfasses werden flach geklopft und anschliessend zu einem Holz- oder Kohleofen weiter verarbeitet. Der Deckel des Fasses kann als (Strassen-)Schild dienen.

Zukunftsweisender Umgang mit Ressourcen
Was hier teilweise als rückständig angesehen wird, ist vielmehr zukunftsweisend: sparsamer Umgang mit Ressourcen, die Materialien sind lokal vorhanden, keine Chemikalien und wenig Energieaufwand ist für die Verarbeitung nötig. Dennoch sind wir immer wieder berührt, wenn wir miterleben, wie viele Gesichter Armut hat, also der begrenzte Zugang zu Ressourcen. Diese grosse Chancenungleichheit beschäftigt einen und man findet keine einfachen Lösungen – was uns nicht davon abhält, weiterhin nach zeitgemässen Antworten zu suchen für das Zusammenleben im Global Village!

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