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Stefanies Narben

Ich war im Rahmen eines Volontariats im Jahr 2016 beim Kinderwerk in Lima tätig. Gleich zu Beginn meiner Arbeit im Kindergarten fiel mir ein Mädchen auf, das deutlich sichtbare Narben im Gesicht hatte. „Stefanie …“, klärte mich die Erzieherin auf, „hat schon viel Schweres durchmachen müssen.“

Verheerender Marktbesuch
Stefanie, damals zweieinhalb Jahre alt, war auf dem Markt bei ihrer Tante. Diese hatte dort einen Stand, an dem sie unter anderem Picarones, eine typisch peruanische Süssspeise verkaufte. Diese Teigkringel werden in heissem Fett frittiert. In einem unbeobachteten Moment fasste die Kleine an den Topf. Dieser kippte um und das heisse Fett ergoss sich über ihr ganzes Gesicht. Sofort rief die Tante Stefanies Mutter an, und sie fuhren ins Krankenhaus …
Aufgrund ihrer Verletzung und der damit verbundenen langen Krankenhausaufenthalte konnte Stefanie erst mit vier Jahren in den Kindergarten aufgenommen werden. Dadurch ist sie den anderen Kindern in ihren motorischen und geistigen Fähigkeiten etwas hinterher. Aber die Erzieherinnen unterstützen und fördern sie sehr, so dass sie das fehlende Jahr sicherlich bald aufholen wird.

Kein Tropfen Wasser wird verschwendet
Gegen Ende meiner Zeit in Lima konnte ich Stefanie zu Hause besuchen. Das Ausmass der Armut mit eigenen Augen zu sehen, hat mich erschreckt. Allein der Anstieg zur Hütte, der über eine steile Treppe immer weiter nach oben führte und schliesslich in einem schmalen Matschpfad mündete, war sehr beschwerlich. Bei der Hütte angekommen, führte uns die Mutter in einen Raum, in dem zwei Betten standen. Die Küche war mit einer dünnen Wand vom Schlafbereich abgetrennt. In diesen ca. 20 m2 lebt die vierköpfige Familie. Einen Wasseranschluss besitzen sie nicht. Einmal am Tag holt die Mutter das Wasser aus einer Hütte, die sich weiter unten befindet. Zum Händewaschen hielten wir unsere Hände über eine Plastikschüssel, damit das kostbare Nass nicht verloren ging.

Schweinehaut implantiert
Hier erfuhr ich, wie Stefanies Mutter den Unfall ihrer Tochter erlebt hatte. Unter Tränen berichtete sie von diesem traumatisierenden Erlebnis. Es ist ein Wunder, dass Stefanies Augen unversehrt geblieben sind. Ein Teil von ihrer Gesichtshaut war jedoch so strak verbrannt, dass ihr Schweinehaut implantiert werden musste. Daher stammen die Narben.
Trotz der ärmlichen Verhältnisse ist die Familie glücklich und sehr dankbar für die Unterstützung des Kinderwerks. Für mich war dieser Besuch eine sehr eindrückliche Erfahrung, weil er mir wieder einmal vor Augen geführt hat, in welchem Luxus wir in Europa leben.

kinderwerk-lima.ch