Stories

Wo ist das Ende der Welt?

«Gehet hin in alle Welt», sagte Jesus nach seiner Auferstehung. Bei diesem Satz kommt mir sofort der Gedanke «bis ans Ende der Welt» in den Sinn. Aber wo beginnt das Ende der Welt? Irgendwo im entfernten Afrika, in Brasilien bei den Indianern oder direkt vor unserer Haustür? Die folgende Geschichte aus einem unserer Projekte hat mir gezeigt, wie nah das «Ende der Welt» doch sein kann.

Zu gefährlich für Postzustellung
Gemeinsam mit unserer Partnerkirche haben wir ein Nachhilfeprojekt gestartet: Dreimal pro Woche kommen rund 20 Schülerinnen und Schüler vorbei und werden von einem Team der lokalen Kirche schulisch gefördert und unterstützt. Die Kirche und damit auch das Projekt liegen etwas ausserhalb der Grossstadt Belém, in der Nähe eines riesigen Abfallberges – eine Gegend, die von Kriminalität geprägt ist.
Im letzten Semester haben wir unter anderem das Thema «Der Ort, an dem ich lebe» behandelt. Die Kinder wurden aufgefordert, sich mit ihrer Umgebung vertraut zu machen. Sie lernten ihre Adresse auswendig, erkundeten ihre Nachbarschaft und wir brachten ihnen bei, wie man Karten liest.
Dabei kam die Idee auf, das Auswendiglernen der Adresse zu nutzen, um sich gegenseitig Postkarten zu schicken. Die Leiterin des Projekts sammelte die Karten ein und wollte sie bei der Poststelle in Belém abgeben, doch sie wurde abgewiesen mit dem Hinweis, dass in diesem Stadtteil keine Post zugestellt wird. Die Gegend sei enorm gefährlich, deshalb schickt die Poststelle niemanden von ihren Mitarbeitenden dorthin. Und plötzlich merkt man, wie man «zum Ende der Welt» wird – wie das eigene Projekt und die Kinder, die man ins Herz geschlossen hat, zum Ende der Welt werden. Niemand traut sich, dorthin zu gehen. Es kostet zu viel, ist zu riskant, zu gefährlich, zu dreckig. Wie dankbar bin ich, dass sich diese Kirchgemeinde trotzdem investiert und ein Licht in diesem dunklen Teil der Welt ist.

Vor unserer Haustür
In Europa erleben wir das Gleiche etwas anders. Plötzlich kommt das «Ende der Welt» in der Form von Flüchtlingen zu uns, klopft an unsere Haustür und bringt unser schönes, ruhiges und geordnetes Leben durcheinander. Die Leute haben andere Wertvorstellungen als wir, einen anderen Glauben, eine andere Hautfarbe – sie sind anders. Plötzlich beginnt «das Ende der Welt» vor unserer Haustüre! So wünsche ich uns allen eine grosse Portion Mut, uns auf die Menschen aus aller Welt einzulassen und ihnen mit Gottes Liebe zu begegnen.


sam-global.org