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Shorts und Flipflops

Meine Frau Marianne und ich verbringen ein Wochenende auf der Insel Kassa einige Kilometer vor der Küste Guineas, wo das Wasser einigermassen sauber ist. Am Samstagmorgen spazieren wir in legerer Sommerkleidung die 20 Minuten zum nächsten Dörfchen, um dort frisches Wasser zu kaufen. Schon bei der Ankunft merken wir, dass etwas anders ist. Die Fischer haben ihre Netze verlassen und am Strand sind keine spielenden Kinder zu sehen. Wir gehen weiter, zum «Zentrum» des Dorfes – ein mit Bananenblättern gedeckter Strandabschnitt. Hier liegen normalerweise Männer in Hängematten und diskutieren oder schlafen, aber heute haben sich unzählige Leute versammelt. Sie alle sind festlich gekleidet und drängen sich unter die Palmblätter, um ja nichts zu verpassen. Irgendwas ist hier los!

Unerwartete Ehre
Marianne und ich bleiben stehen. Dank meiner Grösse kann ich den Menschenknäuel überblicken. In der Mitte des Schattenplatzes sitzt ein junges Brautpaar auf unerwartet noblen, mit Samt überzogenen Polstersesseln. Beide sind ganz in Weiss gekleidet. Bevor wir richtig erfassen, was da passiert, kommt schon der Dorfälteste durch eine Gasse, die sich geöffnet hat, auf mich zu und bittet mich als älteste Person auf dem Platz dem Brautpaar die Heiratsurkunde zu überreichen. Dabei habe ich weder ihn noch das Brautpaar jemals zuvor gesehen!

Begrüsst als «les Vieux»
Nein sagen darf man nicht, also schreite ich ungeachtet meines Outfits – Shorts und Flipflops – würdevoll in die Mitte des Kreises. Beim Durchschreiten der Menge frage ich den Dorfältesten, ob ich auch einige Worte zum Brautpaar sagen und für die beiden beten dürfe. Da er mir dies ohne Zögern erlaubt, weise ich kurz auf Gott als den Schöpfer der Ehe hin, segne die Braut und den Bräutigam und übergebe ihnen das amtliche Dokument. Danach werden wir herzlichst zum Mittagessen eingeladen, aber in unseren Strand-Outfits fühlen wir uns etwas unpassend gekleidet, um an diesem festlichen Essen teilzunehmen, und lehnen dankend ab …
Jedes Mal, wenn wir danach ein Wochenende auf der Insel verbrachten, wurden wir erkannt und als «les Vieux», die Alten, herzlich begrüsst.

Eine Hochzeit mit Folgen
Dieses Erlebnis hatte noch ein Nachspiel: Am Nachmittag nach der Hochzeit suchten uns Fatim und ihre Freundin am Strand auf. Sie waren am Morgen ebenfalls dabei gewesen und wollten nun mehr über unseren Glauben erfahren. Einige Monate später, nach vielen Gesprächen und Besuchen, hat sich Fatim für Jesus entschieden.


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