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Schweizer Kinder unterrichten in Afrika?!

  • Was machst du eigentlich in Guinea?
  • Ich unterrichte!
  • Oh wow, also eine Klasse mit 50 afrikanischen Kinder! Und, ist das nicht super schwierig??
  • Äh, nein, ich habe nur zwei Schüler, und es sind Schweizer.
  • WAS??? Warum bist du denn in Afrika????

Ja genau, warum eigentlich?! Dieses Gespräch habe ich schon mehrere Male geführt. Was hat es für einen Sinn, in ein fernes Land zu gehen, um dann nicht einmal der Bevölkerung direkt einen Dienst zu erweisen? Das ist jetzt genau der Moment, wo es spannend wird.

Lernhelfer/in: Eine enorm wichtige Aufgabe
SAM global hat in mehreren Ländern Projekte, und zum Glück auch engagierte Leute, die vor Ort mithelfen. Zum Glück eben auch solche, die sich langfristig einsetzen, und deshalb mit Familie ausreisen. Familie heisst meistens Kinder, Kinder bedeuten Schule. Und vielleicht werden diese Kinder eines Tages in die Schweiz zurückkehren und in eine Schweizer Schule gehen. Und da ist es wichtig, dass sie eine Ausbildung auf Schweizer Niveau bekommen – was in den Einsatzländern meist nicht möglich ist.
Meine Aufgabe hier ist es, zwei Schweizer Kinder fünf Tage in der Woche (zwei ganze und drei halbe Tage) zu unterrichten. Sie sind Brüder, keine Zwillinge, also in verschiedenen Stufen – eine mehrstufige Klasse. Mit diesem Kriterium reichen wenige Schüler, und man fühlt sich auch als ausgebildete Lehrkraft nicht unterfordert.
Da ich als Lernhelferin diese Aufgabe übernehme, können sich die Langzeitmitarbeitenden des Teams ganz auf die Projekte mit der Bevölkerung konzentrieren. Würde einer dieser Mitarbeitenden den Unterricht für die Kinder des Teams übernehmen, würde dies einerseits bedeuten, dass diese Person in den anderen Projekten ausfällt, andererseits wäre es auch eine sehr grosse Herausforderung, die Rolle von Eltern und Lehrer der eigenen Kinder zu kombinieren. Erinnert euch nur an eure Hausaufgaben, als ihr noch in der Schule wart … Eltern UND Kinder sind einer externen Lehrperson also dankbar.

Viel Kontakt zur lokalen Kultur
Wie in der Schweiz auch wohne, esse und lebe ich nicht in meinem Schulzimmer. Das bedeutet, dass ich ausserhalb der Schulstunden mit den Nachbarn der Schule plappere, mich mit dem Motorrad fortbewege, auf dem Markt einkaufen gehe, mit den Lehrlingen in der Werkstatt esse oder mit einer Freundin kochen gehe. Dies sind in dem Fall alles Berührungspunkte, die ich mit der Kultur habe. Auch im Klassenzimmer komme ich immer wieder einmal mit der lokalen Kultur in Berührung – meine Schüler sind ja auch darin aufgewachsen! Häufig ist der Schulstundenplan auch nicht so voll wie in der Schweiz, was bedeutet, dass man durchaus Zeit hat, sich in einem anderen Teil der Projekte zu engagieren, wenn man noch Energie dazu hat. Denn in einer neuen Kultur zu leben und sich dieser in den wesentlichsten Aspekten anzupassen, braucht besonders zu Beginn einige Energie. Ich gebe zum Beispiel den Lehrlingen auch noch Nachhilfe einen Nachmittag in der Woche. Da ist man schon mal erleichtert, wenn wenigstens der Unterricht keine kulturelle Anpassung erfordert und man nicht auch noch total spontan lernen muss, wie man jetzt den Unterricht gestaltet, wenn nur drei Schulbücher für 50 Kinder vorhanden sind … Ausserdem hat das Engagement als Lernhelferin klare Vorteile, denn man weiss, weshalb man hier ist. Diese fixe Aufgabe schafft es nicht nur, unser leistungsorientiertes Schweizer Gemüt zu stillen, sondern es hat ganz konkret eine sichtbar nachhaltige Wirkung, die in lokalen Projekten nicht immer so einfach zu erkennen ist, wenn man als Kurzzeiter arbeitet.

Eine wertvolle Erfahrung
Ausserdem ist es einfach nur bereichernd, mal ein, zwei Jahre in einem so anderen Lebensraum zu leben. Die Auseinandersetzung mit einer anderen Kultur ist spannend, man lernt sich und die anderen viel besser kennen, im geschütztem Rahmen eines Projektes wo man Gott sei Dank nicht auf sich selbst gestellt ist. Eine andere Kultur zu entdecken und probieren zu verstehen, gibt einem ein besseres Verständnis der eigenen Kultur und man wird (noch) selbstsicherer, lernt das Positive mehr zu schätzen und das Negative besser zu relativieren. Ein mehrmonatiger, ja sogar mehrjähriger Einsatz wird dir nicht nur durch eine originelle Erfahrung deinen Horizont erweitern (was auch auf einem Lebenslauf gut aussieht!), sondern du wirst dich selbst aus einem neuen Blickwinkel kennenlernen und dadurch deinen Charakter entwickeln und in vielen Bereichen deiner Persönlichkeit wachsen.

Noémie ist seit September 2016 in Guinea im Einsatz.


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