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Freundschaft braucht nicht viele Worte

Oft werde ich gefragt, wie ich mich als Kurzzeiterin mit den einheimischen Lehrern und Kindern verständige. Mit den einen spreche ich Englisch und sie antworten auch in Englisch. Mit anderen spreche ich ebenfalls Englisch, aber die Antwort kommt in ihrer Sprache. Irgendwie verstehen wir uns meist trotzdem und oft gibt es was zu lachen.

Wort für Wort, Satz für Satz …
Natürlich bin ich auch daran, die lokale Sprache zu lernen. Dafür treffe ich mich regelmässig mit Rabia, einer einheimischen Frau. Mein Sprachunterricht hilft mir beim Verständnis und der Kommunikation in der lokalen Sprache. Wir schauen jeweils gemeinsam ein wortloses Bilderbuch an und ich spreche aus, was ich sehe und was passiert. Dann erzählt Rabia die Geschichte im Buch. Ihre Erzählung nehme ich mit dem Handy auf. Gemeinsam hören wir uns die Aufnahme an und schreiben alle Wörter heraus, die mir neu sind. Zu diesen bildet sie dann Sätze, welche ich wiederum aufnehme. Zum Repetieren nehme ich mir leider oft zu wenig Zeit. Ich bin jedoch erstaunt, wie gut ich normalen Alltagsgesprächen bereits folgen kann. Und zum Glück gibt es ja noch Hände und Füsse!
In einer Sprachstunde lernte ich wichtige Überlebenssätze. Unter anderem war da ein Bild von zwei Personen, die mit Fragezeichen vor einem leeren Tisch sassen. Gesucht war der Satz: «Was essen wir zum Abendessen?» Nur verwechselte ich zwei kleine, aber entscheidende Wörtchen und sagte stattdessen: «Wen essen wir zum Abendessen?»

Mehr als Sprache lernen
Mit Rabia habe ich mich von Anfang an gut verstanden und in den letzten Wochen ist eine tiefe Freundschaft zwischen uns gewachsen. Nach wie vor haben wir viel Spass bei unseren Sprachlektionen. Mittlerweile führen wir aber auch immer wieder tiefe Herzensgespräche. Bei einem solchen erklärte sie mehrmals, dass ich genau das sagen würde, was ihr auf dem Herzen sei. Sie hat viele Freunde, doch niemand steht ihr so nahe, dass sie das, was sie in ihrem Herzen bewegt, aussprechen würde. Sie meinte, Gott hätte mich geschickt.
Während einem unserer Gespräche erinnerte ich mich an ein Bild, das ich gemalt hatte. Ich wusste sofort, dass ich es ihr schenken sollte. Sie freute sich sehr darüber und als ich das nächste Mal ihre Familie besuchte, nahm ich mit Freude zur Kenntnis, dass es über ihrem Bett hing. Sie nahm mich auch auf eine Shoppingtour mit. Beim anschliessenden gemeinsamen Kochen entstanden lokale Speisen, deren Rezepte ich bei meiner Abreise in die Schweiz mitnehmen kann.
Ich staune und bin tief berührt, wie in so kurzer Zeit und mit bescheidenem Vokabular eine so tiefe Freundschaft entstehen konnte.


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