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Plötzlich war ich selber betroffen

1000 Kaffees und Tees verteilen, Spiele machen, geschlossene Grenzen, Wäsche, Wäsche, Wäsche und plötzlich «Willkommen zu Hause» und «Bleib zu Hause!» Etwa so lässt sich mein Einsatz in Serbien zusammenfassen.

In meiner ersten Woche lernte ich den Normalbetrieb im Flüchtlingslager kennen. Am Sonntag machten wir vier Volontäre einen Ausflug an einen in der Nähe gelegenen See. Auf dem Weg dorthin begegneten wir immer wieder kleinen Gruppen von Flüchtlingen, die unterwegs zur nahegelegenen Grenze waren. Dabei wurde uns bewusst, wie skurril diese Situation war: Wir genossen unseren Ausflug an der Idylle des Sees, während es an der Grenze einige hundert Meter weiter hart auf hart ging! Auf dem Rückweg war es in unserem Auto still. Dieser Nachmittag machte uns sehr nachdenklich und gleichzeitig sehr dankbar für unsere privilegierte Situation.

Aufgrund von COVID-19 wurden die Flüchtlinge unter Quarantäne gestellt und das Lager vom Militär bewacht. Das OM-Team durfte als einzige Nichtregierungsorganisation noch ins Lager gehen, um die Wäsche zu besorgen.

Der Bundesrat forderte die Schweizer im Ausland auf, nach Hause zu kommen. Aber wie? Bevor ich es richtig erfassen konnte, waren die Land- und Luftwege von Serbien in die Schweiz bereits geschlossen. Und plötzlich konnte ich ansatzweise nachvollziehen, was es für die Flüchtlinge heisst, wenn die Grenzen zu sind. Ich erlebte ein emotionales Auf und Ab und blieb zwei weitere Wochen im Lager in der Ungewissheit, wann und wie meine Rückkehr in die Schweiz stattfinden würde. Nachdem alle anderen Volontäre geplant oder ungeplant abgereist waren, blieb ich noch eine Woche alleine. Diese Zeit war für mich herausfordernd, sie brachte mich aber auch näher zu Gott!

In der Waschküche war der Kontakt zu den Flüchtlingen nur noch beschränkt möglich. Trotzdem versuchte ich, Wege zu finden, die Jungs zu ermutigen. So «feierten» wir den Geburtstag eines Flüchtlings und ich versuchte, mir die Namen der Leute einzuprägen oder ein paar Worte in ihrer Sprache zu sagen, um ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Nach vier statt sieben Wochen kehrte ich mit einem Sonderflug der Botschaft nach Hause zurück. Bei meiner Arbeit mit unbegleiteten, minderjährigen Asylsuchenden in der Schweiz werde ich nun wohl vieles aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ich bin dankbar für alles, was Gott durch die Situation im Flüchtlingslager in Serbien und die Konsequenzen des Coronavirus in meinem Herzen bewegt hat.

omschweiz.ch