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Coronakrise in Sambia

Ich hatte mich für eine geraume Zeit ganz gut geschlagen, doch dann kam sie doch – meine persönliche Corona-Krise. Als Ende März die Amano-Schule überstürzt schliessen musste und Anfang April der Lockdown unseres Geländes verhängt wurde, stand mir der Optimismus noch gross über die Stirn geschrieben. Ich sah die vor mir liegende Zeit als grosse Chance und freute mich auf die «Zwangsferien». Trotz Ausgeh- und Besucherverbot wollte ich die Zeit bestmöglich nutzen. Ich würde mich schon beschäftigen können, dafür hatte ich genug Ideen. Sieben Wochen und höchstens zur Hälfte meiner Pläne später, begann dann der Optimismus seine Farbe zu verlieren. Ausgerechnet als ein schwacher Hauch von Normalität wieder zurückkam – nämlich, als wir mit den Vorbereitungen fürs e-learning in der Schule anfingen. Die Ebbe der Ereignislosigkeit enthüllte Dinge am Grund meines Herzens, die ich nie zuvor so intensiv erfahren hatte.
Da kam doch tatsächlich so eine Art Rebellion zum Vorschein. Ständig die Maske im Gesicht, immer auf zwei Meter Abstand zu anderen Menschen und gefühlt hinter jeder Ecke wieder die Hände desinfizieren? Die alte Jessica pfiff darauf und versuchte sich durchzumogeln.

Die neue Beschäftigung als E-Teacher stellte sich als auch nicht so beflügelnd heraus. Wie ein neuer Arbeitsort, in den man sich innerhalb einer Woche eingearbeitet haben sollte, fühlte sich die Online-Plattform an, die Amano als Werkzeug für den Fernunterricht nutzt. Überhaupt, den ganzen Tag hockt man am gleichen Ort, bewegt kaum mehr als seine Finger und das Blickfeld ist beschränkt auf gerade mal 13.3 Zoll. Der Computer ersetzt auch keine Klasse mit aufgeweckten Kindern. Schliesslich wurde meine harte Arbeit in der ersten Woche, als die Plattform für die Schüler geöffnet wurde, mit einer Einschaltquote von knapp 25% belohnt. Das provozierte die Frage: Was mache ich eigentlich hier? (Zugegeben, nach ein paar Telefonaten und zwei Wochen später sah die Situation schon besser aus.)

Am meisten drückte mir mit der Zeit allerdings doch diese soziale Distanz aufs Gemüt. Zwar war es uns Amano-Bewohnern immer noch erlaubt einander zu besuchen, aber wenn man über Wochen immer nur die gleichen Leute sieht, die praktisch das gleiche Leben führen, wie man selbst, fehlt irgendwann dann doch die Abwechslung. Die wenigen sambischen Mitarbeitenden aus der Stadt, die immer noch zur Arbeit kamen, waren dann wie erfrischende Regengüsse in der Trockenheit.

Dennoch, ich kam irgendwann an den Punkt, wo ich das Gefühl hatte, das Leben drehe sich nur noch im Kreis. Jeder Tag wiederholt sich und es scheint kein Ende in Sicht. Nichts Aufregendes ereignet sich. Und ich weiss nicht, welches das andere beeinflusst – meine Beziehung zu Gott den Alltag oder der Alltag meine Gottesbeziehung – aber es fiel mir schwer, meine Gedanke auf Gott zu fokussieren. Gerade diese Zeit, die ich wie viele andere Christen als super Gelegenheit rühmte, um uns vermehrt dem Wort Gottes und dem Gebet zu widmen, fruchtete bei mir nicht wie gewünscht.

Was mache ich nun, wenn ich merke, dass ich doch nicht so stark bin, wie ich meinte? Wenn die guten Vorsätze (die man sich nicht nur Anfang Jahr vornehmen kann) im Sand verlaufen und der Pessimismus die Oberhand gewinnt? Wenn man den Druck verspürt, das Beste aus allem machen zu müssen und das doch nicht so gut hinkriegt? Wenn alles irgendwie nicht so «geisterfüllt» scheint, wie erhofft?

Ich habe in dieser Zeit einmal mehr die Lektion lernen dürfen, dass ich bei Gott ehrlich sein darf. Dass ich Ihm alles genauso sagen darf, wie Er es schon in meinem Herzen sieht. Oft habe ich meinem Frust Luft gemacht, habe Ihm gesagt, was mich ärgert, was ich mir wünsche und was ich einfach nicht verstehe. Selbst, dass ich gerade nicht so «Bock habe» auf Bibel lesen und andere geistliche Disziplinen. Eins ums andere Mal erfahre ich, dass Ruhe einkehrt in meinem Herz, weil ich merke, dass Gott mich nicht streng ansieht und mit erhoben Finger zur  Selbstbeherrschung mahnt. Damit meine ich nicht, dass ich mich einfach gehen lasse. Denn genau da, wo ich aufrichtig zu Gott komme, mit dem Wunsch, mir von Ihm helfen zu lassen, kommt mir Seine Gnade entgegen, die mich auffängt und mir hilft, mit neuer Zuversicht vorwärts zu gehen. Übrigens war es auch mal wieder eine ganz heilsame Erfahrung über die eigene Stärke enttäuscht zu werden.

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