Histoires

Ein Teller durch drei

Ich sitze in der Innenstadt von Pretoria in einem kleinen Raum, nicht viel grösser als die Matratze, auf der ich sitze. Es ist das Zuhause von Lynel* und Duma*, die meine Frau und ich in der Kirche kennen gelernt haben. Sie sind Brüder und etwa in meinem Alter.

Durch die dünnen Wände höre ich fremde Stimmen. Die Wohnung wurde vom Vermieter nachträglich in kleine Räume unterteilt, so kann er sie an noch mehr Leute vermieten. Wie viele hier wohnen, ist schwer zu sagen, doch je nach Vermieter werden solche Zwei- bis Dreizimmer-Wohnungen an bis zu 20 Personen untervermietet.

Flucht, Neuanfang, Ausbeutung

Wegen den Unruhen im Kongo flüchteten Lynel und Duma nach Südafrika. Sie eröffneten hier ein Internetcafé, doch schon bald wurde neben ihnen ein weiteres eröffnet. Gegen die zu günstigen Preise des Konkurrenten hatten sie keine Chance und kurz bevor sie in Schulden gerieten, mussten sie alles verkaufen.

In einer anderen Stadt wurde ihnen eine Festanstellung versprochen. Deshalb  verkauften sie noch ihr letztes Hab und Gut und zogen dort hin. Einmal dort angekommen, erfuhren sie, dass es sich nur um eine temporäre Stelle handelte. Einige Monate später landeten sie wieder in Pretoria und starteten bei Null. Mit Glück fanden sie eine Stelle im Service. Doch sie wurden ausgenutzt, mussten ohne Essenspausen bis zu 20 Stunden Schicht leisten und drei Monate später hatten sie immer noch keinen Lohn erhalten.

Ein Tropfen auf den heissen Stein

Jetzt sitze ich im Zimmer, aus dem sie demnächst herausgeworfen werden, weil sie die Miete nicht bezahlen können. Ihre Geschichte zu hören, bricht mir das Herz und ich realisiere, dass der spendierte Lebensmitteleinkauf nur ein kleiner Tropfen auf einen heissen Stein ist.

Ein Freund im Altersheim

Doch ihre Freude ist gross und Duma sagt zu mir: «Vielen, vielen Dank! Ohne Freunde wie Tano*, deine Frau und dich, wüssten wir nicht weiter.» Ich frage: «Tano aus unserer Kirche?» Ich erinnere mich an einen – aus meiner Sicht, etwas kauzigen, älteren Mann – und Duma fährt fort: «Ja! Er ist unser bester Freund hier und lädt uns regelmässig zu sich ins Altersheim ein. Er möchte dann immer sein Essen mit uns teilen. Doch da wir wissen, dass er nur eine Portion Essen am Tag bekommt und er selber Hunger hätte, wenn er diese teilen würde, wollen wir nichts essen. Doch manchmal, wenn wir schon drei Tage nichts mehr gegessen haben, können wir nicht anders, als seine Einladung anzunehmen. Dann sitzen wir zu dritt vor einem Teller und teilen ihn uns.»

Das würde Jesus tun!

Sprachlos realisiere ich, dass wir oft über das „Was“ oder „Wieviel“ wir geben nachdenken, und oftmals sind es genau diese Fragen, die uns dann daran hindern, überhaupt etwas zu tun.

Tano zeigt uns, dass es um das „Wie“ wir etwas geben geht. Wie er das, woran er glaubt, lebt und versucht zu tun, was Jesus an seiner Stelle tun würde: Ein Freund sein und, was man hat, teilen!

Zurück ins Heimatland

Durch Androhung eines Gerichtsverfahrens bekommen Lynel und Duma nun von ihrem alten Arbeitgeber ihren Lohn in Raten ausbezahlt. Sie haben einen neuen Job im Service in Aussicht. Sie werden zwar nichts verdienen, können aber das Trinkgeld für sich behalten. Ihr Ziel ist es, in den kommenden Monaten 6000 Rand (ca. CHF 500) zu sparen, so dass sie sich die Reise zurück in den Kongo leisten können. In ihrer Heimatstadt gibt es seit längerem keine Unruhen mehr.      

*Name geändert

 

www.omschweiz.ch