Histoires

Baie dankie vir die lekker dag

Seit vier Monate darf ich nun schon - im T-Shirt und mit Sonnencreme im Gesicht - eine spannende, gesegnete und sehr abwechslungsreiche Zeit in  einem Kinderheim  in Mitchells Plain, einem Township in Kapstadt in Südafrika verbringen.

Ein Rucksack voller Gewalt
Die Arbeit mit den Kindern ist sehr vielseitig, schön, lustig und lehrreich, aber auch sehr herausfordernd und erschöpfend. Die meisten Kinder und Teenager stammen aus Gegeneden, die von Armut und Kriminalität geprägt sind. Sie tragen  oft einen riesigen Rucksack voller schwieriger und schrecklicher Erlebnisse mit sich. Über 90 Prozent der Kinder wurden sexuell missbraucht, viele kommen aus zerbrochenen Familien, die von Drogen und Alkohol zerstört wurden. Bei anderen sind die Eltern an Aids erkrankt und können sich nicht mehr um ihre Kinder kümmern. 
Geprägt von diesen chaotischen, strukturlosen Familienverhältnissen fallen einige der Kinder schon sehr früh in ähnliche Muster wie ihre Eltern: Elfjährige schleichen sich nachts aus dem Haus, besorgen sich irgendwo Alkohol, Zigaretten und Drogen. Viele haben ausgeprägte Aggressionsprobleme – die Fäuste werden genutzt, um Probleme aus dem Weg zu schaffen. Ein gemeinsames „Versteckis-Spielen“  kann so schnell zu einer grossen Herausforderung werden, da viele der Kinder die Fähigkeit des „Spielens“ nie richtig erlernt haben.
Gleichzeitig bin ich immer wieder berührt, wie viel Freude man den Kindern mit alltäglichen Dingen machen kann. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich sie im Alltag begleiten darf –  dankbar, Teil eines Teams sein zu dürfen, das versucht, den Kindern Struktur und vor allem Liebe in ihr Leben zu geben, und dankbar, zu sehen, wie für die Kinder hier ein Ort geschaffen wird, an dem sie Kinder sein dürfen und können.

Schreien vor Freude
Apropos Freude an alltäglichen Dingen – hier ein kleines Erlebnis  mit Mila*, einem aufgestellten, quirligen, blinden Mädchen aus dem Kinderheim: Oft kommt Mila von der Schule nach Hause, setzt sich auf ihren Stuhl im Wohnzimmer, sitzt einfach nur da und hört  gespannt zu, was alles so um sie herum geschieht.  An einem gewöhnlichen Tag kam ich auf sie zu und bevor ich irgendeinen  Laut von mir geben konnte, sprang sie auf und rief laut „Hello Eileeeeeeeen“. Ich habe mir an diesem Tag bewusst vorgenommen, mir mehr Zeit für Mila zu nehmen und sie von ihrem Wohnzimmerstuhl wegzubringen. Auf die Frage, was sie denn schon immer einmal machen wollte, kam die simple Antwort: „I would love to go for a walk with you“ - Ich würde gerne mit dir einen Spaziergang machen. Gewappnet mit guten Schuhen und einem Snack für zwischendurch starteten wir Milas abenteuerlichen Spaziergang. Mila klammerte sich mit beiden Händen an mir fest, doch nach ein paar Metern versuchte ich sie davon zu überzeugen, alleine zu gehen. Sie wollte sich am Anfang nicht so recht mit dieser Idee anfreunden, doch dann nahm sie all ihren Mut zusammen und begann alleine, ohne meine Hilfe, zu gehen. Nach einigen Schritten begann sie, wie ein Pferd zu galoppieren und vor Freude zu schreien. 

Ein Spaziergang mit besonderer Bedeutung
„Baie dankie vir die lekker dag, Eileen“ - Danke viel Mal für den tollen Tag, Eileen: Mit diesem Satz in Afrikaans verabschiedete sich Mila am Abend von mir. Da wir in einer eher unsicheren Gegend wohnen, kommt Mila für gewöhnlich nicht richtig aus dem Haus raus und somit hatte dieser „stinknormale“ Spaziergang eine ganz spezielle  Bedeutung für sie.
Es hat mich sehr berührt, wie ein so einfacher Wunsch, etwas so Alltägliches ein kleines Mädchen mit einer solch grossen Freude und Dankbarkeit erfüllen konnte.

*Name geändert

smm-smm.ch