Histoires

Die Urwald-Idylle trügt

Plötzlich ist es stockfinster. Das knatternde Geräusch des Dieselgenerators, welcher die kleine Kirche in Alto Yvon noch vor wenigen Sekunden mit Strom und Licht versorgt hatte, ist nicht mehr zu hören. Es folgt eine kurze Stille. Eine Stille, die es nur hier im Urwald, fernab allen Trubels zu „hören“ gibt. Schliesslich wird eine erste, bald mehrere Taschenlampen angeknipst. Im Schein der Taschenlampen und umschwirrt von tausenden Mücken, Fliegen und Käfern kann der Gottesdienst doch noch zu Ende geführt und Gottes Wort der kleinen Chácobogemeinde verkündet werden.

Schwierige Lebensbedingungen für Pastoren
Es ist meine erste Stammesreise als Missionar hier in Bolivien. Sie führt mich zu dem Stamm der Chácoboindianer, mitten in den bolivianischen Regenwaldes. Das Leben hier ist einfach, so wie auch die Menschen, die ich antreffe. Sie leben vorwiegend von den Erträgen ihres Chácos (Anbaufläche im Urwald) und dem Erlös durch den Verkauf von Almendranüssen.
Der Schein des einfachen, idyllischen Lebens ist jedoch trügerisch – insbesondere für die wenigen Christen, welche unter dem permanent vorhandenen Druck ihrer Stammesgemeinschaft und -kultur mit ihrer animistischen Weltanschauung stehen. Aber auch die Versuchungen, welche der Materialismus mit sich bringt, sind bis in die Tiefen des Urwaldes und die entlegensten Dörfer vorgedrungen und auch hier allgegenwärtig. Es gilt in dieser spannungsgeladenen Umgebung zu leben und geistlich zu überleben. Vor allem von den Pastoren der meist kleinen Indianergemeinden wird grosses Durchhaltevermögen abverlangt. „Von was soll ich meine Kinder ernähren? Mein Sohn hat seit drei Tagen nichts gegessen!“ – das die bewegende Frage des Pastors der kleinen Chácobogemeinde, welche mir die harte Realität vieler indigener Pastoren vor Augen führt. Weitgehend sind diese auf sich alleine gestellt und dienen den Gemeinden ohne Entgelt für ihre Arbeit.

Man stelle sich das mal in Europa vor …
Während meiner Stammesreise werden alle Aktivitäten spontan geplant. Für die Gottesdienste gehe ich mit Papa, dem Gemeindeleiter, von Hütte zu Hütte und lade persönlich ein. „In einer halben Stunde gibt es einen Gottesdienst“, so die Worte von Papa zu jedem, der uns begegnet. „Ob so spontan jemand kommt?“ – man stelle sich dies in Europa vor! Aber hier ist das Leben anders. Langsamer. Nicht so vollgestopft mit Terminen. Und so finden sich trotz kurzfristiger Ankündigung die Menschen ein, um Gottes Wort zu hören und ihren Hunger nach geistlicher Nahrung zu stillen – und dies auch ohne funktionierenden Dieselgenerator und auch mal im Schein von Taschenlampen.

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