Histoires

Der Fremde, der bei euch wohnt

Ich lebe in Österreich. Viele Fremde, Migranten und Flüchtlinge wohnen in meiner Umgebung. „Den Fremden, der bei euch wohnt, sollt ihr wie einen von euch behandeln und ihr sollt ihn lieben wie euch selbst.“ (3. Mose 19,34). Sie zu lieben, fällt mir eigentlich nicht schwer – ausser, wenn meine Nachbarn wieder um 11 Uhr nachts Gäste einladen ...
Doch was heisst es, sie wie einen von uns zu behandeln? Dass viele von ihnen nur gebrochen Deutsch sprechen, heisst nicht, dass sie nicht selbständig denken und handeln können, dass sie sich keine Sorgen machen oder sich nicht über kleine Dinge freuen – nein, sie sind Menschen, wie du und ich! Der Unterschied ist bloss, dass sie unsere Sprache und Kultur nicht kennen. Als Schweizerin ist mir hier in Österreich auch manches fremd. Diese Menschen wie einen von uns zu behandeln, heisst, sie anzunehmen, so wie sie sind, sie kennenzulernen, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen und mein Leben mit ihnen zu teilen. Manchmal ist es schwierig, weil wir uns nicht verstehen. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man auch zusammen lachen und weinen kann, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht.

„Wann gehen wir wieder Gott?“
„Ich möchte gehen sterben“, wiederholte ein Junge aus Kamerun dauernd, während er in unserem Migrantentreffpunkt seine Hausaufgaben machte. Ich fragte ihn, warum er denn sterben wolle. „Alle sind froh, wenn ich nicht mehr da bin“, antwortete er. „Das stimmt nicht“, entgegnete ich. „Es gibt viele Menschen, die sehr traurig wären, wenn du nicht mehr da wärst – auch ich!“ Daraufhin erklärte ich ihm, dass es noch jemanden gebe, der ihn ganz fest lieb habe und mit ihm befreundet sein wolle. „Was, wirklich? Wer denn?“, fragte er. Ich erzählte ihm, dass Jesus sein Freund sein möchte und immer zu ihm stehen würde. Der Junge war völlig überrascht. Ich bete, dass er Jesus als seinen Freund, aber auch als seinen Retter kennen lernen darf.
Seine Mutter erklärte mir, sie sei reformiert und möchte gerne in eine Kirche gehen. Also habe ich sie und ihre Kinder zu uns in die Freikirche eingeladen. Sie kamen tatsächlich, wenn auch die ersten beiden Male erst, als der Gottesdienst vorbei war. Leider kommen sie seit Anfang Jahr nicht mehr. Aber ihr Sohn fragt nun immer wieder: „Wann gehen wir wieder Gott?“ (Gott = Gottesdienst).


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