Histoires

Burundi – Hausbesuch der speziellen Art

Es ist Samstagmorgen, es ist kalt und es regnet. Angesichts des Wetters lässt unser Elan stark nach. Aber schliesslich können sich die Burunder auch nicht aussuchen, ob sie bei schlechtem Wetter einfach zuhause bleiben möchten. Also machen wir uns auf den Weg zu unserem geplanten Hausbesuch – eine Stunde lang sind wir zu Fuss über glitschig-schlammige Pfade in der Hügellandschaft Muramvyas unterwegs. Aus allen Häusern am Wegrand kommen die Menschen gelaufen und wollen sehen, was wir «Muzungus» (Weisse) hier machen. Es dauert nicht lange, bis sich der Erste mit dem Hosenboden in den Schlamm setzt, um zuzusehen, wie wir vorbeilaufen. Wir sind die Attraktion des Tages!

Kerzen sind zu teuer
Wie es wohl die Schüler anstellen, an einem regnerischen Morgen wie heute mit sauberer Uniform in der Schule anzukommen? Nass und ziemlich schmutzig kommen wir an unserem Ziel, einem kleinen Dorf, an. Hier lebt Vianne, einer unserer Schüler, der mich sehr beeindruckt hat. Vianne ist 15 Jahre alt und wohnt bei seiner Tante. Sein Vater lebt wahrscheinlich in der Stadt Gitega – so genau weiss er das nicht. Seine Mutter jedenfalls hat ihn verlassen, um eine andere Familie zu gründen. In dem kleinen Häuschen leben ausserdem noch die Grossmutter und die drei Kinder der Tante. Die meiste Zeit sind die Kinder mit der Grossmutter alleine Zuhause, da die Tante in der Stadt arbeitet.
Vianne erzählt uns von seinem Alltag: Er steht täglich um fünf Uhr auf und macht seine Hausaufgaben vom Vortag. Wenn er nämlich spät nachmittags von der Schule nach Hause kommt, ist es schon zu dunkel, um noch Hausaufgaben zu machen – Strom gibt es keinen und Kerzen sind zu teuer. Im Gegensatz zu uns legt er, wenn es sein muss, den Weg vom Haus zur Schule in rund 12 Minuten zurück! Wir tun so, als wären wir nicht überrascht. Das erste und oftmals auch einzige Essen des Tages ist für ihn das Mittagessen in der Schule.

«Gott nimmt mir meine Angst»
Er gehe gern in die Schule, erzählt Vianne: «Die Lehrer helfen uns, wo sie können. Sie sind um jeden einzelnen Schüler bemüht, geduldig und sehr nett.» Was sich verändert habe, seit er zur Schule geht? «Bevor ich auf diese Schule ging, war es für mich normal zu klauen und Sachen mitgehen zu lassen. Doch die Lehrer haben uns erklärt, dass das nicht richtig ist.» Dann macht er eine Pause: «Seit der 4. Klasse habe ich nichts mehr gestohlen. Das hat sich verändert!» Wenn er Probleme habe oder dabei sei, etwas Verbotenes zu tun, dann bete er. «Gott hilft mir. Ich habe heute viel weniger Angst als früher, denn Jesus ist ja bei mir.» Manchmal fühle er sich einsam und es falle ihm schwer, zu beten. «Aber wenn ich dann mit Jesus rede, geht es mir gleich viel besser.» Und was möchte er nach der Schule machen? Da überlegt Vianne nicht lange: «Lehrer, ich möchte Lehrer werden!»
Debora Schülein


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