Histoires

«Frau Lehrerin, ich kann das nicht!»

Mariano ist mir besonders ans Herz gewachsen. Er hat Legasthenie und besucht die erste Klasse der Gutenberg-Schule in Asunción. Häufig seufzte er im Unterricht laut und sagte: «Frau Lehrerin, ich kann sowas einfach nicht!» Und das, obwohl er ein sehr aufgeweckter und intelligenter Junge ist und besonders in Mathematik ausgesprochen gute Leistungen zeigt.

Er hat auch viele Freunde in der Klasse und spielt in jeder freien Minute Fussball. Seine Eltern hat der Junge nie kennengelernt. Die Mutter starb bei seiner Geburt, und der Vater hat die Familie kurzerhand verlassen. Seine Familie, das sind sein Onkel, seine Tante und der Opa, der tagsüber auf ihn aufpasst, während die anderen arbeiten.

Zusammen mit den Sozialarbeitern besuchte ich ihn zu Hause. Mariano steht meist erst am späten Vormittag auf. Er ist dem Nachmittagsunterricht zugeteilt, das heisst, die Schule beginnt für ihn erst um 13.00 Uhr und endet gegen 18.00 Uhr. Deshalb geht Mariano auch erst gegen 22 Uhr ins Bett; wobei er meist ohnehin nicht früher schlafen könnte, da er sich seinem Schlafplatz mit mehreren Familienmitgliedern teilt. Ausserdem ist in seinem Stadtteil bis tief in die Nacht hinein Betrieb – es ist nicht gerade die friedlichste Gegend der Hauptstadt.

Bei dem Hausbesuch wurde mir noch einmal klar, welche Energie der Junge aufbringen muss, um nur gerade seinen Alltag auf die Reihe zu kriegen. Mariano wird von einem Paten aus Europa unterstützt. Nur dank dieser Hilfe kann er überhaupt die Gutenberg-Schule besuchen. Seine Familie zahlt lediglich den symbolischen Mindestbeitrag von etwa zwei Franken pro Monat. Trotzdem wird es für den Jungen ein langer und schwerer Weg bis zu einem Schulabschluss. Er erhält zu Hause praktisch keine Unterstützung und ist in vielen Dingen ganz auf sich selbst gestellt.

Ich habe dennoch grosse Hoffnung, dass Mariano sich mit Gottes Hilfe durchkämpfen wird. Ab diesem März wird er in das Nachhilfeprogramm der Schule aufgenommen. Dort kann er seine Hausaufgaben erledigen und bekommt zusätzliche Förderung. Die Schulsozialarbeit trägt dafür Sorge, dass er genug zum Anziehen hat und auch medizinisch ersorgt wird. Eine tägliche Mahlzeit erhält er in der Schulkantine.

Ich bin gespannt, welche Träume und Ziele er die nächsten Jahre verfolgen wird. Sein erster Berufswunsch ist ja Fussballprofi. Aber jetzt zählt erst einmal die nahe Zukunft, das heisst die zweite Klasse. Ich wünsche ihm so sehr, dass er immer häufiger sagen kann: «Frau Lehrerin, ich kann das jetzt!»

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