Histoires

Mein Leben in Nigeria: vor und mit Corona

Es lässt sich in zwei Teile unterteilen: vor Corona und mit Corona.
Vor dem Corona-Ausbruch war es so, wie ich es mir vorgestellt und geplant hatte: Arbeiten als Physiotherapeutin im Spital, Leiten einer Jugendgruppe, Kontakt zu vielen Nigerianer/innen, Austauschen mit den Teamkolleg/innen etc. Diese Phase hat fast genau zwei Monate angedauert.

Jetzt ist alles anders: Patient/innen habe ich nur noch sporadisch, wenn jemand in unserem Team ein Problem hat. Im Spital kann ich seit Mitte März nicht mehr arbeiten. So habe ich mir neue Aufgaben gesucht: Am Morgen unter der Woche mache ich mit den Kindern und Teenagern von unserem Compound je eine Sporteinheit: verschiedene Spiele, um Koordination, Schnelligkeit, Kraft, Reaktion etc. zu verbessern. Die Teenager habe ich ins Thema Orientierungslauf eingeführt. Ich hätte nie gedacht, dass es ihnen so viel Spass macht! Vor allem für die nigerianischen Teenager war es etwas total Neues, sich auf einer Karte zurecht zu finden und dann den markierten Ort zu suchen. Nach einigen Trainings hatten sie beim letzten Wettkampf sogar die Nase vorn.

Mit meinen zwei WG-Kolleginnen bin ich ausserdem für die Musik in unserem Compound-Gottesdienst zuständig. Dabei haben wir gemerkt, dass die Kinder und Teenager hier unglaublich gern singen. So haben wir unseren eigenen Kinderchor ins Leben gerufen. Jetzt haben wir jeden Montagnachmittag 24 total begeisterte Sänger und Sängerinnen in unserer Probe.

Da ich von meiner Kirche in der Schweiz und von Freunden Geld zur Verfügung gestellt bekam für Menschen, die aktuell zu wenig zu essen haben, hat sich für mich eine weitere neue Aufgabe ergeben. Zweimal pro Woche besuchen wir verschiedene Einrichtungen und bringen Nahrungsmittel. Wir verbringen Zeit mit den Leuten und hören ihre Geschichten. Häufig gehen mir diese richtig nah: Viele dieser Menschen kommen aus dem Nordosten Nigerias und mussten vor Terrorgruppen fliehen. Sie haben alles verloren, auch ihre Familienmitglieder. Jetzt sind sie zwar in Sicherheit, aber haben (auch wegen der Corona-Krise) zu wenig zu essen. Die Dankbarkeit ist riesig und ich bin immer wieder den Tränen nah, wenn ich die Freude in ihren Augen sehe.

Das Corona-Virus wirkt sich deutlich auf unsere Arbeit hier aus. Wir alle müssen uns Gedanken machen, wie wir in den nächsten Monaten und auch Jahren hier arbeiten und leben wollen und können. Wie meine Situation und meine Aufgaben in Zukunft aussehen werden, weiss ich noch nicht genau. Eigentlich würde ich gerne bald wieder im Spital arbeiten und gewisse Projekte dort starten. Auch in der Jugendgruppe möchte ich wieder mitarbeiten, solange meine Kollegin noch weg ist. Wann das ist und wie alles genau aussieht ist aktuell aber noch völlig unklar. Im Moment heisst es einfach abwarten.

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