Histoires

Ich bin angekommen!

Maria (Name geändert) hat einen Langzeiteinsatz in Westafrika begonnen. Sie berichtet von ihren ersten Monaten und hat beobachtet, dass die Eingewöhnungsphase möglicherweise nicht so reibungslos verlaufen ist, wie sie sich das vorgestellt hatte.

Ein neues Kapitel
Nachdem ich mich so viele Jahre auf meinen Umzug nach Westafrika vorbereitet hatte, erwartete ich am Tag meiner Ankunft einen euphorischen Moment, wo die Erde stillstand, als ich mich der Schwelle dieses neuen Kapitels in meinem Leben näherte. Aber so war es nicht. Mein Leben spielte sich eigentlich nicht ab wie der Film in meinem Kopf, in dem Kehlkopfentzündung und Grippe nie vorkamen. Als ich mich Tausende von Metern über Nordafrika in der Luft befand, fühlte ich mich nicht besonders bereit, und ich dachte auch nicht über all das nach, was vor mir lag, sondern konzentrierte mich stattdessen darauf, meinen Husten auf ein Mass zu beschränken, das andere Passagiere nicht stören würde!

Neuland
Ich würde gerne behaupten, dass ich sofort als Lehrerin an der Schule zu arbeiten und gleichzeitig Freundschaften mit Einheimischen aufzubauen begann. Es war aber in Wahrheit etwas anders. Erste Priorität nach meiner Ankunft hatte die Befriedigung meiner Grundbedürfnisse (Wasser, Unterkunft und Nahrung). Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass meine ganze Energie nur dafür verbraucht werden würde. Die ersten sechs Wochen verbrachte ich zusätzlich damit, meine anhaltend schlechte Gesundheit zu überwinden, während sich mein Körper an das neue Klima und die neuen Keime anpasste. Viel Zeit erforderte die Notwendigkeit, gesundes Essen zu finden, Utensilien zum Kochen zu besorgen, angemessene Kleidung zu kaufen, ganz zu schweigen davon, ein paar Sätze in der Landessprache zu lernen. Als ich morgens aufstand, um zu beten und meine Bibel zu lesen, fühlte ich mich nicht besonders heilig. Und ich gebe zu, dass ich mich schon bei Schulbeginn danach sehnte, dass die Schule zu Ende wäre und ich wieder nach Hause käme, um mich ausruhen zu können. Oder ich träumte den ganzen Tag davon, einen Salat oder etwas anderes zu essen, das mein Öl-Teigwaren-Verhältnis verbessern würde.

Angekommen
In diesen ersten Wochen hatte ich nie meinen lang erwarteten «Ich bin angekommen» Moment, aber in letzter Zeit haben mich kleine Ankunftsmomente endlich eingeholt:

  • Ich sitze eingepfercht in einem örtlichen Taxi in einem Stau und schaue durch den Smog hindurch auf die Kuh, die versucht, unseren Weg zu kreuzen – Ich bin angekommen!
  • Frisbee spielen auf einem örtlichen Sportplatz (ungeteert) mit einer Gruppe von Leuten aus der Kirche, dabei viele Staubwolken aufwirbeln, während die Sonne über den Bäumen untergeht – Ich bin angekommen!
  • Ich schliesse mein erstes Geschäft mit dem örtlichen Obsthändler ganz in Wolof (der lokalen Sprache) ab – Ich bin angekommen!
  • Ich sitze auf einer Matte in einem fremden Wohnzimmer und esse Kolanüsse, während der Brautpreis als Vorbereitung auf eine Hochzeit verhandelt wird – Ich bin angekommen!
  • Ich schaffe es, einen kühlen Kopf zu bewahren, während sich eine Kakerlake unter meinem Schreibtisch windet. Okay, ich habe nur so lange die Ruhe bewahrt, bis ich die Spinne sah, mit der sie kämpfte – Vielleicht bin ich doch noch nicht ganz angekommen!
  • Ich erleuchte mein Zimmer mit Kerzenlicht, da der Strom ausgefallen ist – Ich bin angekommen!
  • Ich musste schmunzeln, als ein Schulkind seinem Freund laut zuflüstert: «Ich habe noch nie eine Toubab (Weisse) gesehen, die Fufu mit den Händen isst» – Ich bin angekommen!
  • Endlich halte ich meinen Ausländerausweis in Händen, nachdem ich stundenlang auf dem Amt darauf gewartet hatte, dass der Strom eingeschaltet wird und die Maschine ihn laminieren kann: Ich bin angekommen – und habe die Erlaubnis zu bleiben!

Ich bin sicher, diese Ankunftsmomente werden sich fortsetzen, während ich mich mehr und mehr an mein neues Leben hier gewöhne. Ich darf eine komplett neue Kultur kennenlernen und ich bezweifle, dass ich sie jemals ganz begreifen werde. Aber zumindest für den Moment kann ich sagen, dass dieses Land beginnt, sich wie Heimat anzufühlen.

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